Positive Wirkungen
InPositiv: Wie erneuerbare Energien direkt und indirekt positiv auf Natur und Artenvielfalt wirken können
Natur und Landschaft verantwortungsvoll gestalten
Die erneuerbaren Energien sind eine Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz. Doch was bedeutet das konkret für Natur und Landschaft? Das Forschungsprojekt InPositiv widmet sich dieser Frage und blickt dabei gezielt auf die positiven Wirkungen der Erneuerbaren: Wie sie Belastungen reduzieren, indem sie fossile Energien ersetzen. Wie sie das Klima schützen und das Tempo der Klimaveränderungen bremsen. Und wie all dies der Natur helfen kann. Anhand von Beispielen wird außerdem gezeigt, wie ein verantwortungsvoller Ausbau der Erneuerbaren ausgestaltet – und was vor Ort gefordert werden kann, um negative Folgen teilweise auszugleichen oder ganz zu vermeiden.
Wir Menschen verändern seit Jahrtausenden die Umwelt, die wir uns mit den anderen Lebewesen der Natur teilen. Die Landschaften Mitteleuropas gelten rückblickend zur Mitte des 19. Jahrhunderts als besonders artenreich. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren die Veränderungen durch den Menschen jedoch enorm: Wälder wurden gerodet, Felder und Wiesen angelegt, Rohstoffe abgebaut und manche Tierarten waren schon damals ausgerottet. Zugleich entstand ein kleinteiliges Landschaftsmosaik, ein vielfältiges Nebeneinander unterschiedlichster Lebensräume, das die Situation für viele Tier- und Pflanzenarten verbesserte und die heute teilweise als Naturschutzgebiete geschützt werden.
Mit Einsetzen der Industrialisierung beschleunigten sich jedoch die landschaftlichen Veränderungen: Die Städte wuchsen rasant, es entstanden große Fabriken und Kraftwerke, die Mobilität wuchs, die Felder wurden größer, die Flächenbewirtschaftung schneller und immer mehr schädliche Stoffe gelangten in die Umwelt. Seit den letzten Jahrzehnten verläuft der Wandel derart beschleunigt, dass es zu dramatischen Verlusten in der Natur kommt – sowohl in der Artenvielfalt als auch in den Kulturlandschaften.
In dieser Situation stellt uns der Klimawandel vor die Herausforderung insbesondere unsere Energieversorgung grundsätzlich umzugestalten. Anders lassen sich die massiven Emissionen von CO₂ und anderen Treibhausgasen nicht in den Griff bekommen. Der dafür notwendige technologische Wandel ist ein erneuter Eingriff in Natur und Landschaft. Ein Eingriff, der zudem aufgrund des Flächenbedarfs vielen Menschen als besonders schwerwiegend erscheint. Die Folge: Naturschutz und erneuerbare Energien werden immer wieder als unvereinbare Gegensätze dargestellt. Doch das sind sie nicht.
Die erneuerbaren Energien sind die beste bekannte Möglichkeit für unsere Energieversorgung bei gleichzeitiger Begrenzung des Klimawandels – zumindest, solange wir unser Verhalten nicht radikal verändern. Zahlreiche Studien zeigen, dass eine vollständige Energieversorgung auch ohne fossile Energieträger und Atomkraft möglich ist.1 2 Je nach Auftraggeber und Auftragnehmer – sie stammen keineswegs nur von »Ökobewegungen« – unterscheiden sich diese Studien durch eine jeweils stärkere Gewichtung von Einsparung, Effizienz, Importen oder der Art der regenerativen Energiegewinnung. Einhellig beschreiben sie ein zukünftiges Energiesystem als weitestgehend regenerativ und klimaneutral. Dabei wird wegen des Ersatzes fossiler Energieträger ein deutlicher Anstieg des jährlichen Stromverbrauchs um mehr als die Hälfte gegenüber heute erwartet.3 Da Stromnutzung beispielsweise bei Elektromotoren deutlich energieeffizienter ist als Verbrennungsmotoren, gehen die wissenschaftlichen Studien einhellig von einem Rückgang des Primärenergieverbrauchs in Deutschland aus. Die Bundesregierung hat sich 2019 zum Ziel gesetzt, den Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 um 20 %, bis 2030 um 30 % und bis zum Jahr 2050 um 50 % gegenüber 2008 zu senken.4
Das Zeitalter der Erneuerbaren hat erst begonnen. Weiterhin werden nachteilige Auswirkungen auf Natur und Landschaft an den Orten der Energiegewinnung, der Speicherung und dem Energietransport auftreten. Dem gegenüber stehen die Chancen, die mit den Erneuerbaren verbunden sind.
Das Forschungsprojekt InPositiv
Das Forschungsprojekt InPositiv greift diese Chancen auf und will damit eine Leerstelle füllen. In vorangegangenen Forschungsarbeiten zur Akzeptanz der Erneuerbaren ist immer wieder aufgefallen, dass besonders dort, wo neue Energieanlagen entstehen sollen, ein Mangel an guten Beispielen und Faktenwissen die öffentliche Diskussion verzerrt und zu Kontroversen führen kann. Denn selbstverständlich stellen Energieanlagen einen Eingriff dar und können negative Folgen z.B. für ansässige Arten mit sich bringen. Diese negativen Folgen sind bekannt und sehr konkret. Über positive Wirkungen dagegen wird häufig nur ganz allgemein gesprochen – wenn überhaupt. Auch Fachleuten gelingt es selten, die tatsächlichen Auswirkungen von Klimaschutz oder Energiewende anschaulich zu vermitteln. Doch wer weiß schon, dass die aktuellen Betriebsflächen für Braunkohle die künftig für alle notwendigen Windenergieanlagen an Land freizuhaltenden Flächen (Fundament, Kran- und Lagerflächen etc.) bei weitem übersteigen? Oder dass die Verstromung von Braun- und Steinkohle Jahr für Jahr viele Tonnen hochgiftiger Schwermetalle und Feinstäube freisetzt? Und dass diese und weitere Umweltbelastungen entfallen, wenn die Erneuerbaren die fossilen Energien ersetzen?5 Fakten wie diese werden in der öffentlichen Diskussion meist nicht berücksichtigt und sind vielen in ihrer Konsequenz nicht bewusst. Dabei ist es dieser Kontext, der nicht zuletzt alle großen Naturschutzverbände in Deutschland den naturverträglichen Ausbau der Erneuerbaren befürworten lässt.
Vor diesem Hintergrund soll InPositiv Orientierung bieten. Dazu werden die indirekt positiven Wirkungen der Erneuerbaren anhand konkreter Beispiele auf dieser Website illustriert. Zum anderen werden für Solarenergie, Biomasse und Windenergie jeweils gute Beispiele für eine verantwortungsvolle Ausgestaltung im Sinne des Natur-, Landschafts- und Artenschutzes vorgestellt. Daran wird deutlich, wie die unerwünschten Folgen erneuerbarer Energieanlagen an ihren Standorten gemildert werden und diese in einigen Fällen sogar direkt positiv wirken können. Dies alles soll negative Auswirkungen der Erneuerbaren nicht beschönigen, sondern als Beitrag zur Meinungsbildung die notwendige Diskussion um ihre konkrete Ausgestaltung bereichern und ergänzen.
Positive Wirkungen der Energiewende – indirekt und direkt
Die positiven Folgen der Energiewende – insbesondere die Reduktion der schädlichen Treibhausgasemissionen und die Verlangsamung des Klimawandels – werden vor allem langfristig sichtbar. Sie führen aber auch sofort zu positiven Wirkungen, indem sie indirekt den Abbau fossiler Energiequellen reduzieren und großtechnische Eingriffe in Natur und Landschaft wie den Aufschluss von Tagebauen, den Bau von Großkraftwerken und deren technischen Infrastrukturen stoppen.
Die Ursachen für den anhaltend rasanten Biodiversitätsverlust in Deutschland liegen jedoch nicht allein im Klimawandel und der Nutzung fossiler Brennstoffe begründet. Flächenversiegelung, Landwirtschaft, Konsumverhalten und andere Faktoren tragen mit dazu bei. Vor diesem Hintergrund ist es von großer Bedeutung, beim Ausbau der Erneuerbaren sorgfältig vorzugehen, um dem Rückgang der Artenvielfalt entgegenzuwirken. So können oft Ausgleichsmaßnahmen gefunden oder Energieprojekte genutzt werden, um vor Ort gezielt positive Effekte für Natur und Landschaft zu verwirklichen. All diese Möglichkeiten stehen in direktem Zusammenhang mit der Ausgestaltung der jeweiligen Anlage und werden daher im Folgenden als direkte (positive) Wirkungen bezeichnet, die es zu erreichen gilt. Die hierfür zentralen Faktoren werden unter drei Begriffen zusammengefasst: Veränderungen verlangsamen, Strukturen anreichern, Landschaft mitgestalten.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Die Energiewende muss so gestaltet werden, dass Natur- und Lebensräume für viele Arten geschaffen und dabei die verschiedenen (Kultur-)Landschaften erhalten werden – dann werden die damit verbundenen indirekten und direkten positiven Wirkungen die negativen überwiegen. Dies kann erreicht werden, wenn Kriterien von Natur- und Landschaftsschutz sowohl die übergeordnete Planung als auch die konkrete Umsetzung vor Ort mitbestimmen. Wie das gelingen kann, illustrieren die zahlreichen Beispiele auf dieser Website.
Fußnoten
- PROGNOS, Öko-Institut & Wuppertal-Institut (2020). Klimaneutrales Deutschland. Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung Klimaneutralität.
- Stiftung Klimaneutralität et al. (2022). Vergleich der „Big 5“ Klimaneutralitätsszenarien.
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2021, 25. Februar). Wie kann das Energiesystem der Zukunft aussehen?
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2019). Energieeffizienzstrategie 2050.
- Vergl. Abschnitt "Fossile ersetzen"