Indirekte positive Wirkungen
Artenschutz
Artenvielfalt braucht Klimaschutz
Der Artenreichtum unseres Planeten zählt zu den bedeutenden Erben der Erdgeschichte – und es gilt ihn zu bewahren. Seine Vielfalt sorgt dafür, dass unser tagtägliches Leben so funktioniert wie wir es kennen. Deutschlands Beitrag zum Erreichen des 1,5-Grad-Zieles hilft global gesehen auch dem Erhalt der Arten.
Zahlreiche Pflanzen-, Tier- und Pilzarten sowie Mikroorganismen reinigen unser Wasser und unsere Luft, dienen uns als Nahrung oder als Arzneimittel und sorgen für fruchtbare Böden. Verlieren wir diese Vielfalt, steht vieles für uns auf dem Spiel. So liefern nur intakte Wälder sauberes Trinkwasser oder saubere Luft und nur Insekten sichern durch die Bestäubung unserer Nutzpflanzen die Nahrungsgrundlagen. Im Boden sorgen Millionen von Kleinstorganismen für einen effizienten Ablauf natürlicher Stoffkreisläufe.
Wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, wird außerdem deutlich: Artenvielfalt ist auch Lebensqualität. Denn sie ist es, die uns bei einem Spaziergang oder einer Wanderung immer wieder ins Stauen versetzt und inspiriert. Unterm Strich können und wollen wir es uns nicht leisten, unsere Naturlandschaften, Ökosysteme und natürlichen Lebensgemeinschaften zu verlieren.
Zahlreiche Arten sind durch den Klimawandel bedroht
Es gibt bereits erste Projektionen, wie sich der Klimawandel auf die Artenvielfalt auswirken wird. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) befürchtet weltweit den Verlust von 10 bis 15 % aller Arten in den nächsten Jahrzehnten. Gemäß Weltklimarat (IPCC) sind sogar 20 bis 30 % aller Tier- und Pflanzenarten bedroht, wenn die globale Durchschnittstemperatur bis 2050 um 1,5 bis 2,5 °C ansteigt.1 2 3 4 5 Sollten die menschengemachten Emissionen von Treibhausgasen wie bisher fortschreiten, würde in manchen Gebieten jede zweite Art bis zum Jahr 2080 verschwinden.
Durch den Klimawandel verlagern sich die Klimazonen in Europa nach Norden bzw. in die Höhe. Ab einem Temperaturanstieg im Mittel um mehr als 1 °C in Europa könnten sich die Temperaturzonen um mehr als 100 km in den Norden verschieben.6 Diese klimabedingte Verschiebung betrifft auch die Lebensräume von Pflanzen und Tieren. Zum Artenverlust kommt es, wenn Lebensräume wesentlich an Ausdehnung verlieren, ganz verdrängt werden, in den wärmeren Zonen eine geringere Artenvielfalt besteht oder die Verluste durch das Tempo der Veränderung nicht ausgeglichen werden können. Ein weiterer Faktor, der vor allem in Kulturlandschaften wie den deutschen von Bedeutung ist, fällt unter den Begriff Vernetzung von Lebensräumen: Denn ob und wie gut die Lebensräume räumlich miteinander verbunden sind, entscheidet für viele Arten mit darüber, ob sie überhaupt abwandern können oder zwischen Straßen, Siedlungen und anderen Infrastrukturen in ihrem Umfeld verharren müssen und allen Veränderungen direkt ausgesetzt sind.
Bei den Pflanzen könnten bereits ab einem Temperaturanstieg von 1,8 °C über 30 Prozent der Arten aussterben. Dies würde sich auf 40 Prozent der Fläche Europas bemerkbar machen. Auch bei den Tagfaltern sind dramatische Entwicklungen absehbar. In Deutschland kommen derzeit um die 190 Tagfalterarten vor. Unter dem projizierten Worst-Case-Szenario würde ungefähr die Hälfte der Arten bis 2080 zwei Drittel ihres Lebensraumes verlieren, wenn sie ihr Verhalten nicht schnell genug anpassen können. Ein Viertel der Arten könnte sogar mehr als 95 % des Lebensraumes einbüßen.7
Klimaschutz und Artenschutz
Anpassung ist entscheidend
Insbesondere für spezialisierte Arten wird entscheidend sein, wie schnell sie sich anpassen können. Ebenfalls kann es entscheidend sein, ob für die Reproduktion notwendige Faktoren (wie bestimmte Samen oder Insekten für die Fütterung junger Vögel) sich ebenfalls ausreichend schnell in die neuen Regionen ausbreiten. Daher sind gerade die oft bereits gefährdeten Spezialisten für bestimmte ökologische Nischen viel stärker gefährdet, als die anpassungsfähigeren, häufigeren Arten.8 9 10
Generell gilt: Für das Überleben der Arten sind neben ihren individuellen Eigenschaften vor allem das Tempo der Klimaveränderungen, die Verfügbarkeit geeigneter Lebensräume und deren Vernetzung entscheidend. An allen diesen Punkten gilt es anzusetzen, um den drohenden Artenverlust zu mildern. Der Klimaschutz muss auch in Bezug auf den Erhalt der Arten mit hoher Priorität vorangebracht werden.
Von Wissenschaftlern befürchtete Klimarisiken für die »Biologische Vielfalt« in Deutschland
Fußnoten
- IPCC (2007). Climate Change 2007: Synthesis Report.
- Umweltbundesamt (2021). Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland, Kurzfassung.
- IPBES & IPCC (2021). IPBES-IPCC co-sponsored workshop report on biodiversity and climate change.
- IPBES (2019). Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger des Regionalen Assessments zur biologischen Vielfalt und Ökosystemleistungen in Europa und Zentralasien der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services.
- Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ (2019). Das „Globale Assessment“ des Weltbiodiversitätsrates IPBES.
- Jessel, B. (2020). Biodiversität und Klima: Naturschutz und Klimaschutz zusammen denken.
- Settele, J., Kudrna, O., Harpke, A., Kühn, I., van Swaay, C., Verovnik, R., Warren, M., Wiemers, M., Hanspach, J., Hickler, T., Kühn, E., van Halder, I., Veling, K., Vliegenthart, A., Wynhoff, I., & Schweiger, O. (2008). Climatic Risk Atlas of European Butterflies. BioRisk 1 (Special Issue).
- Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (2010). Natur im Wandel – Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt in Nordrhein-Westfalen.
- Bundesamt für Naturschutz (2011). Modellierung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Flora und Vegetation in Deutschland.
- Niedermair, M., Lexer, M. J., Plattner, G., Formayer, H. & Seidl, R. (2007). Klimawandel und Artenvielfalt. Wie klimafit sind Österreichs Wälder, Flüsse und Alpenlandschaften?